Was für ein Archivtag! Obwohl der Einsatz künstlicher Intelligenz bereits auf anderen Archivtagen behandelt wurde, zog das Thema so viele Interessenten an, dass die Teilnehmerliste erstmals vorzeitig geschlossen werden musste. Der Konferenzort Franz-Mehring-Platz 1 bot ein hervorragendes Podium dafür. Für diejenigen, die keinen Platz mehr im Vortragssaal finden konnten, bestand die Möglichkeit, die Veranstaltung in einem Nebenraum per Videoübertragung zu verfolgen. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzendes des VdA-Landesverbands nahmen die Teilnehmer erfreut und dankbar das Grußwort des Vorsitzenden des Kulturausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses Peer Mock-Stürmer entgegen.
In seinem Eröffnungsvortrag gab Matteo Valleriani, Honorarprofessor an der TU Berlin und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, einen aufschlussreichen Laborbericht aus der Arbeit seiner Forschungsgruppe. Hier unterstützt die Künstliche Intelligenz die Erschließung und Verknüpfung frühneuzeitlicher Quellen zur Wissenschaftsgeschichte. Mithilfe selbstentwickelter Modelle werden Quellen miteinander verglichen und auf Ähnlichkeiten überprüft. So ergeben sich neue Erkenntnisse, die ohne Einsatz von KI einen unvertretbar hohen Zeitaufwand erfordern würden bzw. schlicht nicht leistbar wären.
Im ersten Panel ging Paul Klimpel detailliert auf die rechtlichen Aspekte der Anwendung von KI, insbesondere auf urheberrechtliche Fragen und datenschutzrechtlichen Gesichtspunkte ein, während Jessica Heesen (Universität Tübingen) sich den Fragen einer Ethik der Künstlichen Intelligenz widmete. Sie verwies Superintelligenz, also die autonome oder gar omnipotente Herrschaft Künstlicher Intelligenz über den Menschen in das Reich von Science-Fiction. Dagegen machte sie auf die Probleme aufmerksam, wenn Produkte Künstlicher Intelligenz nicht als solche gekennzeichnet werden.
In der aktuellen Stunde stellte Jana Bertels vom Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur die Ergebnisse der aktuellen zweiten Teilstudie zur Archivierung und Dokumentation von Beständen mit SED/DDR-Provenienz im Land Berlin vor, die auch in diesem Weblog bereits besprochen wurden. Nico Beyer und Felix Gericke (FU Berlin) präsentierten die von ihnen entwickelte Software EMILiA zur Archivierung von E-Mails, die die dauerhafte Erhaltung dieser Dokumentationsform sichern und die archivische Bewertung unterstützen soll.
Am Mittag standen die Kandidaten für die Wahl zum neuen Vorstand des VDA-Landesverbands dem Moderator Dirk Ullmann Rede und Antwort. Aufgrund der mit der Covid-Pandemie verbundenen Probleme war dies die erste Wahl seit sechs Jahren! Über die Wahlergebnisse wird an anderer Stelle in diesem Blog ausführlich berichtet werden.
Das Nachmittagspanel widmete sich praktischen Anwendungen von KI. Dominic Eickhoff vom LWL-Archivamt für Westfalen bot einen fundierten und kurzweiligen Überblick über verschiedene Anwendungen, die sich nicht nur in der Darstellung von ChatGPT erschöpften, und führte in die technischen Grundlagen ein. Er ließ keinen Zweifel an den riesigen Chancen, die der Einsatz von KI gerade im Archiv zu leisten vermag. Karen Tieth und Stefan Geiser stellten die praktischen Anwendungen in der Bildagentur Preußischen Kulturbesitz, deren Nutzen, Aufwand und Grenzen dar. Esther Lemmerz schilderte die Ergebnisse von KI-gestützter Erschließung von Karteikarten im Bundesarchiv. Am Beispiel der großen Masse an Findmitteln zu den Stasiunterlagen wurde der hohe Entwicklungsaufwand im Vorfeld, aber auch deren effektiver Nutzen im Einsatz deutlich. Alexander Wolff und Joanna Bars berichteten vom Einsatz der KI im Deutschen Rundfunkarchiv, die gerade die Erschließung von Audiodateien unterstützt und beschleunigt.
In der abschließenden, von Matthias Buchholz und Rebecca Hernandez-Garcia moderierten Podiumsdiskussion hatten die Archivtagsteilnehmer noch einmal die Möglichkeit, ihre Fragen zu Chancen und Risiken der KI an Paul Klimpel und Dominic Eickhoff zu richten.
Dem – ehrenamtlich tätigen (!) – Landesvorstand sei für die gründliche Vorbereitung der Fachtagung, wie auch der aufwendigen Vorstandswahl besonders gedankt. Die Veranstaltungsreihe hat damit ein beachtliches professionelles Niveau erreicht und sich in der Berliner Archivlandschaft etabliert.