… und mehr als 260 Teilnehmer suchten Antworten auf die Frage, wie man Revolutionen im Archiv überliefert. Der Vorstand des VdA-Landesverbands Berlin hatte dazu am 20. November 2019 in einen besonderen historischen Ort eingeladen: die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg.
Der große Saal in Haus 2 bot ausreichend Platz für das Konferenzpublikum, eine Archivmesse und das Catering.
Neben den Archivvertretern Torsten Musial und Ralf Jacob sprach mit Sabine Bangert (Vorsitzende des Kulturausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses) erstmals eine Parlamentarierin ein Grußwort zu den Anwesenden. Musial berichtete von der Arbeit des Vorstands des Landesverbands Berlin im VdA seit dem letzten Archivtag, u. a. der Initiierung des neuen Formats Archiv-Stammtisch, und lud zur Mitarbeit ein. Auch Jacob warb um das Engagement und die Mitgliedschaft im VdA, wies aber auch auf archivpolitische Forderungen wie die einer Berliner Archivberatungsstelle hin. Bangert bot die Unterstützung der Politik an und lud zum Austausch ein.
Zum Eröffnungsvortrag hatte man sich Mareike König vom Deutschen Historischen Institut Paris eingeladen, die den Auftakt zur Tagung mit ihrem fulminanten Vortrag “Geschichtsforschung und Archive im digitalen Zeitalter: Chancen, Risiken und Nebenwirkungen” gab. Darin stellte sie u. a. die Ergebnisse ihrer Umfrage “Was sich Historiker*innen von Archiven wünschen” vor. Auch wenn es sich dabei mitunter um nur schwer erfüllbare Maximalforderungen handelte, zeigte die Umfrage, wie wichtig der Austausch mit der größten Benutzergruppe der Archive ist, um den Service und die archivischen Angebote weiter zu verbessern.
Der Vormittag widmete sich der filmischen Überlieferung zur Novemberrevolution in Deutschland im Bundesarchiv (Annika Souhr-Könighaus), der Vernichtung von Stasiunterlagen in der Wendezeit 1989/90 (Roger Engelmann, BStU) und der Überlieferung im Archiv der DDR-Opposition (Tina Krone).
Am Nachmittag stelle Birgit Rehse in einem Werkstattbericht das APO-Archiv im Universitätsarchiv der FU Berlin vor und machte auf Probleme der Übernahme, Erschließung und Benutzung dieser Überlieferung, aber auch auf deren hohen Stellenwert für die Forschung aufmerksam. Leider blieb der Vortrag von Peter Ullrich (TU Berlin) zur Gewalteskalation beim G20-Gipfel etwas hinter den Erwartungen zurück, die erhoffte Darstellung vom Umgang mit digitaler Überlieferung in Form einer Twitteranalyse wurde nur am Rande betrachtet.
Die Impulsvorträge von Kai Naumann (Landesarchiv Baden-Württemberg) und Kathrin Weller (gesis Leibnitz Institut für Sozialwissenschaften, Köln) boten einen erfrischenden Einstieg in die anschließende, von Matthias Buchholz (Bundesstiftung Aufarbeitung) moderierte Podiumsdiskussion “Quod non est in actis…? Umbrüche im digitalen Zeitalter”. Der Wechsel vom Vortragsformat, das die erste Tagungshälfte dominierte, zur offenen Diskussion, an der sich die Konferenzteilnehmer rege beteiligten, wurde von vielen als angenehm empfunden.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Aktuelle Stunde. Hier stellte Uwe Schaper (Landesarchiv) den aktuellen Stand der Beteiligung des Landes Berlin am Projekt “Digitale Archivierung Nord” vor. Daniel Baranowski (Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld) präsentierte mit der Netzressource “Das Archiv der anderen Erinnerungen” Videointerviews mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender, Inter und queeren Menschen (LSBTTIQ), Rainer E. Klemke (berlinHistory e. V.) mit der “BerlinHistoryApp” ein vielschichtiges, differenziertes Angebot von Quellen zur Geschichte der deutschen Hauptstadt. Stefan Donth (Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen) berichtete über das Datenbankprojekt “Politische Häftlinge der SBZ/DDR” des BMBF-Forschungsverbunds. Katrin Glinka (SPK) empfahl den bereits vor einiger Zeit entwickelten Vikus-Viewer (Open Access) zur Nachnutzung für die Visualisierung von digitalisierten Sammlungen.
Nachdem bereits eine Führung über das historische Gelände während der Mittagspause regen Zuspruch gefunden hatte, beschloss eine weitere Führung den Berliner Landesarchivtag, der sich mittlerweile zu einer festen Größe in der Berliner Archivcommunity entwickelt hat.